Von Breslau nach Tübingen

Jeder Berliner meiner Generation, der etwas auf sich hält, hat eine schlesische Großmutter. Meine (väterlicherseits) stammte aus Breslau. Sie war das verwöhnte Nesthäkchen einer großbürgerlichen Familie.

In den zwanziger Jahren heiratete sie meinen Großvater, zog nach Berlin und brachte 1930 meinen Vater zur Welt. Nach dem Krieg, dem Verlust der Heimat und zwei gescheiterten Ehen musste sie zum ersten Mal auf eigenen Beinen stehen. Da es in der Berlin schon damals zu wenig Arbeitsplätze gab, zog sie ins Ländle – ein, wie sich herausstellen sollte, auch für ihren Enkel wegweisender Schritt. Sie wohnte in Böblingen und „schaffte“ erst bei IBM und dann bis zu ihrer Verrentung „beim Daimler“ in Sindelfingen.

1969 machte ich in Köln erst den Führerschein und dann das Abitur. Ich beschloss, meiner Großmutter mit dem altersschwachen R 4, den mir mein Vater geschenkt hatte, einen Besuch abzustatten. Sie schlug vor, einen Ausflug in eine nahe gelegenes Universitätsstädtchen zu machen, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Wir fuhren also nach Tübingen. Es war Mai und bereits sommerlich. Wir spazierten durch die alten Gassen, aßen ein Eis im Cafe an der Neckarbrücke und sahen den Stocherkähnen zu. Es war einer der ganz wenigen, aber unvergesslichen Augenblicke im Leben, in denen man sich vom Schicksal an die Hand genommen fühlt. Ich wusste sofort: Hier will ich hin. Allerdings hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon einen Studienplatz an der FU Berlin. Zwei Jahre später war es aber soweit. Zum Sommersemester 1971 kam ich nach Tübingen. In den drei Berliner Semestern hatte ich auch mitbekommen, dass in Tübingen berühmte Juristen lehrten. Diese sollte ich in den nächsten Jahren alle kennenlernen.

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Hohenentringen bei Tübingen, Sommer 1972
v.l.n.r.: Angelika Jung, Michael Gordon,
Franz Kunert, Thomas Sambuc

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